Stuttgarts Sportdirektor Fabian Wohlgemuth

Fußball | Bundesliga

Viel Licht, wenig Schatten: Die Transferbilanz von VfB-Sportdirektor Wohlgemuth

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Johann Schicklinski

Fabian Wohlgemuth ist seit Dezember 2022 Sportdirektor des VfB Stuttgart. Seine Einkäufe im letzten Sommer zündeten, die Schwaben haben sich sensationell für die Champions League qualifiziert. Am Sonntag ist er zu Gast in der Sendung SWR Sport. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Gerade hat sich der VfB Stuttgart sensationell für die Champions League qualifiziert. Gänzlich anders stellte sich die Situation dar, als Fabian Wohlgemuth Ende des Jahres 2022 seinen Dienst als Sportdirektor bei den Schwaben antrat. Damals war an den aktuellen Höhenflug nicht einmal im entferntesten zu denken.

Die graue Realität war eine andere: Als Sechzehnter startete der VfB ins Jahr 2023. Wohlgemuth war noch neu in Stuttgart, er musste seine Arbeit direkt an die hochbrisante Lage anpassen. Und das merkte man. Für schmales Geld Verstärkungen für den Abstiegskampf finden, so lautete damals sein Auftrag. Was nicht sonderlich gut gelang.

Lange Zeit war offen, ob die Schwaben überhaupt in der Bundesliga bleiben - was über die Relegation gegen den Hamburger SV gerade eben so gelang. Mit an Bord war da auch schon der neue Trainer Sebastian Hoeneß, der die bis dahin völlig verunsicherte Mannschaft zum Klassenerhalt führte.

In der folgenden Sommerpause konnte Wohlgemuth dann wesentlich freier agieren als noch ein halbes Jahr zuvor. Er legte, immer auch in Absprache mit Coach Hoeneß, mit seinen Neuzugängen die Grundlage für den aktuellen Erfolg. Die Trefferquote des 45-Jährigen, der in Stuttgart bald zum Sportvorstand aufsteigen könnte, war enorm groß. SWR Sport blickt zurück auf die Verpflichtungen, die Wohlgemuth in anderthalb Jahren VfB Stuttgart getätigt hat.

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Winter 2022/2023

Mit Gil Dias wollten sich die stark abstiegsgefährdeten Schwaben im Januar 2023 auf den offensiven Flügeln verstärken. Der Portugiese kam von Benfica Lissabon nach Stuttgart und damit zu seinem insgesamt zehnten Verein. Zuvor lebte er in sechs Ländern, spielte unter anderem bei AS Monaco, AC Florenz, bei Nottingham Forrest, Olympiakos Piräus und dem FC Granada. Und Dias lieferte sofort: Im DFB-Pokal-Spiel gegen Zweitligist Paderborn braucht der Flügelspieler nur vier Minuten und 15 Sekunden, um nach seiner Einwechslung für den zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich zu sorgen. Ein wunderschöner Treffer, der Portugiese zimmerte den Ball unter die Latte des Paderborner Gehäuses.

Doch diesem Highlight zu Beginn folgte nicht mehr viel. Ein Treffer noch in der Bundesliga gegen Köln, das war es. Unter Hoeneß spielte Dias keine Rolle mehr, seit September 2023 ist er an Legia Warschau verliehen, wo er allerdings auch nur Reservist ist.

Auch Genki Haraguchi kam in der Winterpause, der Japanener galt als Wunschspieler des damaligen Trainers Bruno Labbadia. Allerdings konnte sich der Mittelfeldspieler in Stuttgart nie durchsetzen. Haraguchi ist im Gegensatz zu Gil immer noch da, auch wenn der 32-Jährige, der als Musterprofi auf dem Trainingsplatz gilt, in der laufenden Saison bislang nur 20 Bundesligaminuten spielte. Er gilt aber als wertvoller Teil des Teamgefüges.

Sommer 2023

Die Wintertransfers von Wohlgemuth zündeten also nicht - ganz anders sieht es für die Neuzugänge im Sommer 2023 aus. Mit Alexander Nübel kam auf Leihbasis vom FC Bayern eine neue Nummer eins. Der 27-Jährige kam, sah und lieferte. Er passt als mitspielender Keeper zum Team, strahlt zudem absolute Ruhe aus. Seine Leihe ist eine "Win-Win"-Situation, daher wurde sie jüngst auch bis 2026 ausgedehnt.

Ebenso eingeschlagen hat Angelo Stiller, der ein absoluter Wunschspieler von Trainer Hoeneß war. Gemeinsam mit Atakan Karazor gibt der von der TSG Hoffenheim verpflichtete Sechser im Mittelfeld den Takt an. Unaufgeregt, effizient und mit einem immensen Laufpensum stopft er die Lücken im Spiel des VfB und setzt dazu seine Kollegen gekonnt in Szene. Dabei baut er auch auf die Unterstützung von Hoeneß, den er bereits aus seiner Zeit in Hoffenheim und beim FC Bayern München kennt.

Deniz Undav ist so etwas wie Wohlgemuths Königstransfer. Der 27-Jährige kam auf Leihbasis für eine Saison vom Premier-League-Club Brighton & Hove Albion. Kostenpunkt: 700.000 Euro inklusive einer Kaufoption. 18 Tore und acht Vorlagen in 27 Bundesligaspielen sprechen für sich, zudem ist der extrovertierte Angreifer für die Kabine immens wichtig. Längst laufen die Planungen für eine feste Verpflichtung des Neu-Nationalspielers, sein fixer Kauf wird wohl eine harte Nuss für Wohlgemuth. Die vertraglich fixierte Ablösesumme soll bei rund 20 Millionen Euro liegen.

Auch Maximilian Mittelstädt ist mittlerweile Nationalspieler. Er war im letzten Sommer Wohlgemuths erster Transfer nach dem eingetüteten Klassenerhalt über die Relegation. Wenn über den 26-jährigen gebürtigen Berliner gesprochen wird, ist häufig auch die Ablösesumme Thema. Für den aus heutiger Sicht unglaublich niedrigen Betrag von 500.000 Euro wechselte der Linksverteidiger vor der Saison von Absteiger Hertha BSC an den Neckar. Heute beträgt sein Marktwert ein Vielfaches und niemand denkt beim VfB mehr an Vorgänger Borna Sosa.

Der französische Defensivspieler Anthony Rouault wurde von Wohlgemuth spät im Sommer-Transferfenster aus Toulouse per Leihe verpflichtet - als Reaktion auf den späten Abgang von Konstantinos Mavropanos zu West Ham United. Mittlerweile haben die Schwaben den 22-Jährigen bis zum 30. Juni 2027 fest verpflichtet. Rouault gilt als "Mr. Zuverlässig", er liefert, wenn er gebraucht wird. Er hat im bisherigen Saisonverlauf 19 Bundesligaspiele und zwei DFB-Pokalpartien beim Tabellendritten bestritten, auch seine Verpflichtung darf als "Volltreffer" bezeichnet werden.

Auch Leonidas Stergiou (St. Gallen) war von Wohlgemuth auf Leihbasis geholt worden. Der Kapitän der schweizerischen U21 brauchte lange, bis er sich an die Bundesliga gewöhnt hatte, wurde aber im Saisonverlauf immer wertvoller. Der Defensivspieler, der sowohl im Zentrum als auch rechts hinten auflaufen kann, kam mittlerweile zu 16 Pflichtspieleinsätzen für den VfB Stuttgart. Auch in seinem Fall ist es möglich, dass Wohlgemuth die Kaufoption im Sommer ziehen wird.

Jamie Leweling kam ebenfalls per Leihe, auch er brauchte etwas Anlaufzeit. Inzwischen hat der 23-Jährige einen Stammplatz, sieben Tore vorgelegt und vier erzielt. Er stand bei jedem Spiel auf dem Platz. Zuletzt hat er gegen Dortmund und Frankfurt herausragende Leistungen gezeigt, auch in Leverkusen überzeugte der Rechtsaußen. "Er ist schnell, wuchtig, hat eine unfassbare Gier und ist deshalb für uns ein extrem wertvoller Spieler geworden", sagt Wohlgemuth über Leweling. So wertvoll, dass der VfB ihn über die Saison hinaus halten wird? Dem Vernehmen nach könnten die Schwaben die Kaufoption über rund fünf Millionen Euro ziehen - Leweling selbst würde wohl gerne bleiben.

Woo-yeong Jeong kam vom SC Freiburg zum VfB, auch er war ein Wunschspieler von Hoeneß, die beiden hatten beim FC Bayern II zusammengearbeitet. Der Südkoreaner ist in Stuttgart bisher eher eine Verstärkung für die Breite, wovon bereits 23 Bundesligaspiele zeugen. Allerdings ist er für die Startelf aktuell keine Option. Jeong geriet aber auch durch zwei Kontinentalturniere mit Südkorea etwas ins Hintertreffen.

Winter 2023/2024

Der VfB Stuttgart legte im Winter nur ein Mal nach: Mittelfeldspieler Mo Dahoud kam auf Leihbasis von Brighton & Hove Albion. Die Intention dahinter: Aufgrund seiner Erfahrung und Spielstärke sollte Dahoud eine Soforthilfe darstellen, zudem spielt Brighton unter Trainer Roberto de Zerbi ein ähnliches System wie der VfB unter Coach Sebastian Hoeneß.

Dahoud spielt aber bislang nur eine Nebenrolle. Das große Problem des 28-Jährigen: Angelo Stiller als "Metronom" und Atakan Karazor als Abräumer machen es in der VfB-Zentrale überragend. Dahoud kommt an ihnen nicht vorbei, daher endet seine Zeit in Stuttgart bereits im Sommer. Der VfB wird die Kaufoption nicht ziehen.

Fazit

Bei den Sommertransfers top, bei den Wintertransfers zwar kein Flop, aber noch viel Luft nach oben. So in etwa lässt sich das bisherige Wirken von Wohlgemuth zusammenfassen. Viel Licht, wenig Schatten. Zweifellos hat der Sportdirektor damit großen Anteil am Höhenflug des VfB Stuttgart.

Und die Planungen für die nächste Saison laufen bereits auf Hochtouren. Die weitere Leihe von Nübel hat er bereits eingetütet, die feste Verpflichtung des bisher geliehenen Rouault ist durch. Undav soll ebenso fix geholt werden, zudem sollen Justin Diehl (Köln), Nick Woltemade (Werder) und Yannik Keitel (Freiburg) ablösefrei kommen. Gleichzeitig haben die Stuttgarter Spieler Begehrlichkeiten geweckt. Da sich der VfB für die Champions League qualifiziert hat, dürfte vor Wohlgemuth noch ein arbeitsreicher Sommer liegen.

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Johann Schicklinski